Der Standard – 01.12.2021
Equal Pay – feministischer Weiberkram?
Equal Pay – wer denkt da nicht sofort an Frauen? Logisch, und teilweise zu Recht. Denn im laut Statista 10. reichsten Land Europas und 14. reichsten Land weltweit liegt der durchschnittliche Bruttostundenverdienst der Frauen immer noch um 19,9% unter dem der Männer – und damit sind wir in Europa mit Estland und Lettland Schlusslichter.
Sollten sich Unternehmen des Themas Equal Pay nur annehmen, weil es einklagbares Recht ist? Mitnichten!
Obwohl Verstöße empfindlich teuer werden können: Im September 2019 legte beispielsweise ein Technologiekonzern eine Klage beim US-Arbeitsministerium über geschlechts- und rassenbedingte Lohndiskriminierung mit einer Zahlung in Höhe von 7 Millionen US-Dollar bei.
Warum sonst Equal Pay auf die Unternehmensagenda setzen? Firmen, in der die Belegschaft weitestgehend männlich ist, könnten sich zurücklehnen, oder?
Aber Achtung – bei Equal Pay geht es generell um gleiches Gehalt für gleichen Job bei vergleichbarer Leistung – unabhängig von Geschlecht, Alter, Teilzeit/Vollzeit, Nationalität, Religion, besonderen Bedürfnissen
Mehrere Gründe treiben das Thema Equal Pay auf die Agenda der Unternehmen:
Globale Märkte
Der globale Markt erfordert häufig eine internationale Belegschaft: Betreuung internationaler Kundinnen, Produktion in Übersee, weltweite Materialbeschaffung und vieles mehr kann man schwer mit nur heimischem Knowhow bedienen. Daher suchen Unternehmen die geeigneten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schon längst nicht mehr nur vor der eigenen Haustüre, sondern rekrutieren Experten im und aus dem Ausland. Und die Versuchung, Mitarbeiterinnen aus Billiglohnländern schlechter zu bezahlen, um Kosten zu sparen, ist nicht nur eine Form des Lohndumpings, sondern macht sich auf Dauer auch beim Arbeitgeberinnen-Image negativ bemerkbar: ein Teufelskreis, denn auf Social Media sorgen solche Geschichten schnell dafür, dass man keine geeigneten Mitarbeiterinnen mehr findet.
Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel bringt Unternehmen dazu, Frauen für Berufe begeistern zu wollen, die vormals fast ausschließlich von Männern besetzt waren. Und mit einem Mal müssen sich klassische Männerdomänen mit den Wünschen und Besonderheiten einer weiblichen Belegschaft auseinandersetzen. Selbst wenn anfänglich das gleiche Gehalt für den gleichen Job bezahlt wird, können unter anderem die Zeit der Karenz, die Rückkehr aus der Karenz in einen Teilzeitjob oder das unterschiedliche Verhandlungsgeschick bei Gehaltsgesprächen die Lohnentwicklung empfindlich beeinflussen. Ein Grund, das Thema Equal Pay systematisch auf der Agenda zu haben.
Gastronomie und Pflegeberufe
In Amerika haben allein im August 4,3 Millionen Menschen ihren Job gekündigt, allen voran Mitarbeiterinnen aus der Hotellerie/Gastronomie – weil sie sich angesichts der vielen offenen Stellen bei einer neuen Arbeitgeberin bessere Chancen ausrechnen – eine absolute Rekordzahl im Vergleich zu den letzten 20 Jahren.
Und Österreich berichtet einen ähnlichen Trend an offenen Stellen seit dem Sommer. Momentum hat im Oktober recherchiert, dass die Mehrheit der Unternehmen, die sich über Mangel an Köchen, Bäckern, Frisören und Kellnern beklagen, nach wie vor weder bessere Arbeitsbedingungen noch einen Lohn über dem Mindest-Kollektivvertragsgehalt anböten.
Hier geht es weniger um das Thema Equal Pay, gleicher Lohn für gleichen Job, sondern um Pay Equity, also vergleichbare Löhne für Jobs mit vergleichbarem Wert: warum sollten zum Beispiel Jobs in der Metallindustrie am Markt mehr wert sein als Jobs in der Gastronomie oder im Handel? Es wird Zeit, das Thema Arbeitsbedingungen und Gehalt im Niedriglohnsektor zu überdenken.
Wunschvorstellungen der Generation Z
Zahlreiche Studien wie zum Beispiel die von McKinsey aus 2021 belegen, dass die Generation Z (geboren 1995/1997 bis 2010/2012) verstärkt Sinn in ihrer Arbeit sucht und ihr Fairness am Arbeitsplatz, Akzeptanz ihrer Persönlichkeit und Gemeinschaftssinn besonders wichtig sind.
Equal Pay, also gleiche Bezahlung für gleiche Jobs und vergleichbare Leistung ist das mindeste, was sich die jungen Arbeitnehmerinnen von einer guten Arbeitgeberin erwarten. Unterschiede in Behandlung, Beförderung und Bezahlung aufgrund von Geschlecht, Alter, Teilzeit/Vollzeit, Nationalität, Religion, besonderen Bedürfnissen werden nicht mehr hingenommen – die Akzeptanz für „old white males only“ scheint sehr begrenzt. Laut einer Zenjob-Umfrage vom Mai 2021 wollen nur noch 19% für einen Konzern arbeiten. Und in den USA suchen bereits mehr als die Hälfte aller 18-24-Jährigen einen neuen Job und immerhin auch 31% aller 25-34-Jährigen (Generation Y).
Je diverser, bunter die Belegschaft im Unternehmen wird, desto wichtiger wird es für die Arbeitgeberinnen sein, alle in ihrer Unterschiedlichkeit einzubinden und ihnen ein Gefühl der Fairness und des Miteinanders zu vermitteln, denn nur wenn alle an einem Strang ziehen, stellt sich der Unternehmenserfolg ein. Und Equal Pay ist dabei nur die Spitze des Eisbergs!
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