Der Standard – 26.03.2022

Was macht Arbeitgeberinnen wirklich attraktiv: Geld oder Gemeinschaft?

Was Mitarbeiterinnen wollen…

In der neuesten Gallup Studie wurden 13.000 US-Arbeitnehmerinnen befragt, was sie sich für ihren nächsten Job wünschen – und Überraschung, Überraschung:

Bessere Bezahlung und Sozialleistungen sowie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben haben für alle Befragten Priorität, aber es gibt deutliche Unterschiede zwischen den Wünschen von Frauen und Männern.

Frauen legen Wert auf ein diverses (von Vielfalt geprägtes) und inklusives (Integration förderndes) Unternehmen: mehr als die Hälfte der Frauen gab an, dass die Arbeit in einem diversen und integrativen Unternehmen „sehr wichtig“ ist (im Vergleich zu nur 30 % der Männer).

Generell sieht die Wunschliste an die Arbeitgeberinnen folgendermaßen aus:

  1. Ermöglicht eine bessere Work-Life-Balance und ein besseres persönliches Wohlbefinden (Wellbeing)
  2. Erhöht deutlich mein Einkommen oder verbessert mein Paket an Sozialleistungen
  3. Ermöglicht mir, das zu tun, was ich am besten kann
  4. Bietet mehr Stabilität und Arbeitsplatzsicherheit
  5. Die Organisation ist vielfältig (divers), für alle Menschen offen und lebt Inklusion (vornehmlicher Wunsch der weiblichen Arbeitnehmerinnen)

 

Kann uns diese Studie in Österreich kalt lassen? Gilt das hier alles nicht? Und ist das Gerede von „the great resignation“, also der großen Lust nach Kündigung und Wechsel des Arbeitsplatzes ein Phänomen, was hierzulande keine Relevanz hat?

Leider nein, auch Österreich ist zum Arbeitnehmerinnen-Markt geworden, in dem die offenen Stellen die Arbeitsplatzsuchenden deutlich überwiegen.

Und bei manchen Jobs wie zum Beispiel in der Pflege, als IT-Developperin, Data-Analystin, AI Designerin, SM Managerin können sich die Arbeitnehmerinnen bereits jetzt kaum vor Angeboten retten.

Und nicht nur Fachkräftemangel bzw. Arbeitskräftemangel- wie Elisa Aichinger, Partnerin bei Deloitte Human Capital es nennt- plagt die Arbeitgeberinnen, sie müssen sich auch zunehmend mit den Wünschen der Generation Z beschäftigen.

 

…und die GenZ ganz besonders

Das Beratungsunternehmen PwC hat 2020 30.000 Vertreterinnen der GenZ in ganz EMEA befragt, darunter 667 Österreicherinnen im Alter von 16 und 28 Jahren – und so sieht die Wunschliste der österreichischen GenZ aus:
Platz 1:           flexible und planbare Arbeitszeiten sowie die Möglichkeit, Home-Office zu nützen

Platz 2:           Gutes Grundgehalt und Überstundenvergütung

Platz 3:           Interessante und herausfordernde Arbeit

Platz 4:           Leistungsbezogene Beförderung und glaubwürdige und faire Leistungsbeurteilung

Platz 5:           Direkte Kolleginnen im Team und der Führungsstil der direkten Vorgesetzten

Platz 13:         Physisches und psychisches Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist Frauen besonders wichtig

Platz 39:         Diversität und Inklusion Diversität und Inklusion am Arbeitsplatz ist in Österreich doppelt so wichtig, in Ungarn sogar drei Mal so wichtig wie in der Slowakei.

Platz 40:         Modernste Technik (Geräte und Systeme) wollen vor allem Männer

Platz 53:         gesellschaftliche Auswirkung der Arbeit

 

Gehalt, Gemeinschaft, Flexibilität und Fairness sind nur ein paar der Schlagwörter, die man ernst nehmen muss, denn laut einer Zenjob-Umfrage vom Mai 2021 wollen nur noch 19% für einen Konzern arbeiten. Und in den USA suchen bereits mehr als die Hälfte aller 18-24-Jährigen einen neuen Job.

Wer glaubt, die Wünsche der jungen Generation würden sich spätestens nach 5 Jahren im Job nivellieren, muss leider enttäuscht werden, denn auch die Generation Y weiß, dass sie derzeit gute Karten haben.

 

Aber auch die Generation Y nutzt die Gunst der Stunde

Seit Beginn der Pandemie denkt knapp die Hälfte der österreichischen Erwerbstätigen über einen Jobwechsel nach: Aktuell sind 46 Prozent offen für einen neuen Job oder haben sogar bereits konkrete Schritte in die Wege geleitet. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Karrierenetzwerks Xing durchgeführt hat. Befragt wurden insgesamt 2.523 Beschäftigte im deutschsprachigen Raum, davon 510 in Österreich.

Unter den 30- bis 39-Jährigen ist der Anteil an Wechselwilligen besonders hoch – 53 Prozent sind bereit, zu einem neuen Arbeitgeber abzuwandern.

Knapp die Hälfte aller befragten Arbeitnehmer*innen – nämlich 48 Prozent – haben 2021 bei einer repräsentativen österreichweichweiten Marketagent-Studie im Auftrag von karriere.at angegeben, dass ein höheres Gehalt für sie der Hauptgrund wäre, ihren Job zu wechseln – noch vor mehr Anerkennung auf Platz zwei und einer besseren Work-Life-Balance auf dem 3. Platz. Jede Fünfte vermisst zudem die Sinnhaftigkeit im Job.

 

Wie können Arbeitgeberinnen reagieren, um attraktiv zu bleiben?

Bei all diesen Umfragen kann einem schon ein bisschen schwindlig werden.

Nur, ehrlich gesagt, ist es vollkommen müßig, sich zu fragen, ob man als Unternehmen mehr Geld oder mehr Gemeinschaft bieten sollte.

 

Fakt ist, das Gehalt muss marktüblich sein und ich muss es als Unternehmen schaffen, gemeinsam mit meinem Team eine wertschätzende Community zu bilden, die voller Stolz an einem Strang zieht und weiss, dass ihr Beitrag wertgeschätzt wird und zu einem größeren sinnhaften Ganzen beiträgt. Einfach das Gehalt 5-10% über dem Mitbewerb anzubieten wäre eine genauso kurzfristige wie kurzsichtige Aktion.

 

Was hilft, ist, sich als Unternehmen ganz klar folgende Fragen zu stellen:

  • Welchen Typus Mitarbeiterin wollen bzw. brauchen wir und inwieweit sprechen wir mit unserer derzeitigen Firmenkultur genau diese Personengruppe an?
  • Inwieweit helfen die jetzigen Mitarbeiterinnen bewusst oder unbewusst mit, neue Arbeitnehmerinnen für uns zu begeistern?
  • Welche Signale versenden wir mit der Employer Branding Strategie, welche mit der Vergütungspolitik und dienen sie dazu, die geeignetsten Leute zu halten oder zu bekommen?
  • Was genau wollen die Mitarbeiterinnen und Kandidatinnen? Wie steht es um die zu erwartende Kosten-Nutzen-Relation?
  • Wie sehr leben wir eine Kultur der Fairness und Inklusion, wo sich jede Mitarbeiterin als Teil der Gemeinschaft fühlt und ihre Leistung zum Unternehmenserfolg wertgeschätzt sieht?
  • Wie gehen wir mit Mitarbeiterinnen um, die das Unternehmen verlassen wollen? Drama und Ausgrenzung oder Teil des Lernprozesses fürs Unternehmen genauso wie für den Einzelnen.
  • Wie sehr machen wir den Unternehmens-Purpose für alle nachvollziehbar, so dass die Mitarbeiterinnen aufs Unternehmen stolz sein können und gerne ihren Beitrag leisten?
  • Wie flexibel gestalten wir unsere Strukturen und Prozesse, dass permanente Veränderung keine Bedrohung für alle wird und Innovation ihren Raum findet?
  • Wie sehr fühlen wir uns für das psychische und physische Wohlbefinden unserer Mitarbeiterinnen verantwortlich und geben einen Rahmen der Sicherheit und Fürsorge vor?

 

Loyale Top-Mitarbeiterinnen bekommt ein Unternehmen nur, wenn es diese Fragen ernst nimmt, und es lohnt sich:

Wer keine beliebige Ware oder Dienstleistung anbieten will, braucht Mitarbeiterinnen, die sich mit der Firma identifizieren, die Innovation ins Unternehmen bringen und loyal die Firmengeheimnisse waren, und die das Unternehmen entsprechend nach außen vertreten. Schon sind wir wieder bei dem geforderten Wir-Gefühl, der Gemeinschaft, und der gewünschten Fairness – nur dieses Mal kommt es dem Unternehmen selbst zugute!