Mehr Lohn trotz Inflation
Von ihrem bisherigen Gehalt können sich die meisten Arbeitnehmer immer weniger leisten. Eine Expertin erklärt, wie Sie erfolgreich mehr fordern.
Mehr Gehalt wegen der Inflation, der Gedanke liegt nahe.
Denn wer nicht regelmäßig mehr für sich raushandelt, kann sich von seinem Gehalt heute de facto weniger leisten als noch vor ein oder zwei Jahren. Gleichzeitig achten auch Arbeitgeber in der aktuellen Lage auf ihre Kosten. So haben einer Umfrage der Beratung Willis Towers Watson (WTW) zufolge Unternehmen die Gehälter für das Jahr 2022 im Schnitt „nur“ um 3,5 Prozent angehoben – unterhalb des Inflationsniveaus von aktuell 7,5 Prozent.
Trotzdem sind Gehälter immer noch Verhandlungssache, sagt Martina Ernst. Sie weiß, wie Beschäftigte auch in Zeiten hoher Inflation mehr Geld
bekommen. Die ehemalige Personalchefin der Erste Bank Österreich gründete Salarynegotiations. Das Unternehmen ist auf Gehaltsverhandlungen spezialisiert.
Die Karriereberaterin gibt vier Tipps für die nächste Gehaltsverhandlung:
1. Sein Zielgehalt kennen
Ohne Gehaltsvorstellung in die Verhandlung gehen? Das ist schon immer ein No-Go in Verhandlungen gewesen. Bei fast acht Prozent Inflationsrate ist
diese Nachlässigkeit jedoch fatal. Denn eine Lohnerhöhung kommt nur dann im Portemonnaie an, wenn sie die Teuerungsrate übersteigt.
„Überlegen Sie sich Ihr Wunschgehalt und Ihre Etappenziele“, rät die Verhandlungsexpertin Ernst. Und wenn der Vorgesetzten zwölf Prozent mehr
Geld etwas happig vorkommen? Dann können sich Angestellte im ersten Jahr auf fünf Prozent und im zweiten Jahr auf sieben Prozent mit dem Arbeitgeber verständigen. So bleibe das Verhältnis auch mittelfristig gut. Und vielleicht ist die Inflation im kommenden Jahr nicht mehr ganz so hoch wie in diesem, sodass sich die Aufteilung gelohnt hat.
2. Richtigen Zeitpunkt erwischen
In zwölf Monaten fragen laut einer Umfrage der Arbeitsbewertungsplattform Glassdoor gerade einmal 45 Prozent aller Männer und 35 Prozent
aller Frauen nach mehr Geld. Lohnerhöhungen kommen aber nicht von allein, schon gar nicht in Krisenzeiten, weiß Ernst. Deshalb: unbedingt aktiv fragen. Einmal im Jahr sei ein Gespräch über die berufliche und die gehaltliche Entwicklung angebracht. Generell gebe es zwei Anlässe, um nach mehr Geld zu fragen: „Spätestens wenn der Marktwert der eigenen Position gestiegen ist oder wenn man einen Mehrwert über den normalen Job hinaus geliefert hat, dann sollte man nach mehr Gehalt fragen.“ Zudem müsse man sich informieren, wann über Gehälter in Unternehmen entschieden wird. Laut Ernst sind die Gehaltsverhandlungen vieler Unternehmen im Frühjahr. Das heißt allerdings nicht, dass Mitarbeiterinnen sich erst im Februar um ein Gespräch kümmern sollten. Vereinbaren Sie auch im Vorfeld einen Termin, um „über die berufliche Entwicklung“ zu sprechen, rät Ernst. Beschränken Sie sich nicht nur auf das Gehalt, „vielleicht winkt eine Beförderung“.
3. Mit Leistung argumentieren
Inflation, eine drohende Rezession –… „es passiert dauernd, dass der Arbeitgeber in Gehaltsverhandlungen Wirtschaftskrisen und Geschäftsrisiken anführt, um das Gehalt niedrig zu halten“, sagt Martina Ernst. Davon sollten Angestellte sich jedoch nicht abschrecken lassen. Stattdessen empfiehlt die Karriereexpertin hervorzuheben, was Sie für das Unternehmen geleistet haben, um es gut durch die jetzige Krise zu bringen und was Sie in Zukunft noch beitragen werden. „Gerade in Krisenzeiten brauchen Arbeitgeber Mitarbeiter, die die Zukunft des Unternehmens erfolgreich gestalten werden.“ Den eigenen Mehrwert sollte man immer möglichst konkret fassen, zum Beispiel so: „Ich habe im ersten Halbjahr 15 Prozent mehr verkauft als im Vorjahr.“ Oder: „Das Team, das ich leite, macht zehn bis fünfzehn Prozent mehr Gewinn als alle anderen Teams in der Abteilung.“
4. Über Alternativen nachdenken
Wenn Sie nach Ihrer Gehaltsrunde unzufrieden sind, ist neu verhandeln kein No-Go. Manchmal ist aber der Zeitpunkt erreicht, an dem Beschäftigte merken: Ab hier schadet mir weiteres Nachbohren eher, als dass es hilft. Ernst sagt, ein klares Signal dafür ist, wenn Arbeitgeber die Wortwahl ändern, vom „letzten Angebot“ sprechen, oder wenn sie mit einem gereizten Tonfall reagieren. Ähnlich wie sich ein Gehaltswunsch aufteilen lässt, sollten Beschäftigte auch über Alternativen nachdenken, die den Arbeitgeber oft nur indirekt etwas kosten: Mehr Urlaubs- oder Homeoffice-Tage etwa oder ein Upgrade bei der Bahncard oder dem Dienstwagen. „Das Wichtigste in einer Gehaltsverhandlung ist, flexibel zu bleiben“, sagt Martina Ernst.
Win-win sei „immer die Devise“ – auch in Zeiten hoher Inflation.