Gehaltsverhandlung führen – mit Expertentipps für Arbeitgeber
Gehaltsverhandlungen zielgerichtet führen und zur Zufriedenheit aller Beteiligten abzuschließen, ist für Führungskräfte ein herausforderndes Unterfangen. Martina Ernst, Expertin und Beraterin zum Thema faire Vergütung für Berufstätige und Unternehmen, gibt im Interview Einblicke in die optimale Vorbereitung von Gehaltsgesprächen und was Sie alles bedenken sollten. Sie ist nach ihrer Tätigkeit als Personalchefin in der Finanzindustrie, Geschäftsführerin und Aufsichtsratsvorsitzende nun mit ihren Firmen SalaryNegotiations und FairEqualPay beratend tätig
- Im Idealfall: Wie läuft eine optimale Gehaltsverhandlung ab?
- Wie bereiten sich Führungskräfte für ein Gehaltsgespräch am besten vor?
- 1. Vergütungspolicy und Gehaltsprozesse im Unternehmen überblicken:
- 2. Direkte und indirekte Gehaltsbestandteile und deren Entwicklung verstehen:
- 3. Zielerreichung bewerten:
- 4. Unterstützung für schwierige Gespräche bereithalten:
- Wer führt die Gehaltsgespräche am besten?
- Welche (objektiven) Kriterien lassen sich für die Gehaltserhöhung festlegen?
- Welche Alternativen gibt es zur sofortigen Gehaltserhöhung?
- Wie schaut die Gehaltsverhandlung in Unternehmen aus, die bereits transparente Gehaltsstrukturen leben?
- Entgelttransparenzrichtlinie & Gehaltsverhandlung: Wie wird sich die Entgelttransparenzlinie auf Gehaltsverhandlungen auswirken?
- Fazit: 5 Tipps für Arbeitgeber
Im Idealfall: Wie läuft eine optimale Gehaltsverhandlung ab?
Martina Ernst definiert eine optimale Verhandlung vom Ende her: „Eine Gehaltsverhandlung ist dann erfolgreich, wenn beide Seiten das Gespräch engagiert verlassen, um weiterhin zum Unternehmenserfolg beizutragen.“
Zu bedenken ist dabei vor allem, dass es nicht nur um Gehaltszufriedenheit geht, sondern viel mehr darum, Klarheit herzustellen: „Gehaltsgespräche sind ‚Moments that matter‘, in denen sich die Mitarbeitenden besonders verletzlich fühlen – daher ist es umso wichtiger, eine Win-Win-Situation herzustellen. Win-Win heißt nicht, man zahlt, was gefordert wird, sondern man stellt Klarheit her, unter welchen Bedingungen das gewünschte Ziel erreicht werden kann bzw. welche Alternativen es gibt.“ Unter diesem Aspekt ist Aktives Zuhören besonders wichtig: „Wichtig ist immer, das Gespräch auf Augenhöhe und in einem wertschätzenden Ton zu führen. Und idealerweise beginnt der*die Mitarbeiter*in seine*ihre Sicht darzulegen und die Führungskraft hört erst einmal aktiv zu – und bemüht sich dann gemeinsam mit dem*der Mitarbeiter*in, eine gangbare Lösung zu finden. Wer glaubt, gewinnen zu müssen, hat schon verloren.“
Wie bereiten sich Führungskräfte für ein Gehaltsgespräch am besten vor?
Auf folgende vier Aspekte sollten sich Führungskräfte für ein gelungenes Gehaltsgespräch vor allem vorbereiten:
1. Vergütungspolicy und Gehaltsprozesse im Unternehmen überblicken
„Meistens haben – vor allem große, internationale – Unternehmen niedergeschriebene oder tradierte Prozesse, wann und unter welchen Umständen es zu Gehaltserhöhungen kommt – und welche Kriterien für etwaige Gehaltsbandbreiten in einer spezifischen Position gelten. Darüber auf dem aktuellen Stand zu sein, ist für Gehaltsverhandlungen essenziell.“ Als Ergänzung können Informationen über Durchschnittsgehälter in Österreich und den Gender Pay Gap in Österreich sowie im Unternehmen eine wichtige Argumentationsbasis darstellen.
2. Direkte und indirekte Gehaltsbestandteile und deren Entwicklung verstehen
„ Alle zur Verfügung stehenden Gehaltsbestandteile zu kennen, erweitert den Handlungsspielraum für beide Seiten – dazu gehören Grundgehalt, eventuelle Zulagen oder Boni, Benefits und etwaige Sonderzahlungen.“
- Im Detail umfasst das: „Überblick über den Gehaltsverlauf der entsprechenden Person in den letzten drei bis fünf Jahre
- Wissen, welche Erhöhungen durch den Kollektivvertrag und welche aufgrund von individueller Leistung, Beförderung und Aufgabenerweiterung erfolgten
- Überblick über freiwillig angebotene Entwicklungsmaßnahmen wie Schulungen, Trainings etc.
- Überblick über Urlaubstage/ Pflegeurlaub/ unbezahlten Urlaub“
3. Zielerreichung bewerten
Gemeinsam definierte Ziele und Aufgaben aus Stellenbeschreibungen, Mitarbeitergesprächen usw. sollten für die Gehaltsverhandlung vorliegen und die Zielerfüllung auch bewertet werden. „Wichtig ist es, diese Bewertung nicht als ‚unfehlbar‘ zu betrachten, sondern erst einmal die Mitarbeitenden mit ihrer Sicht der Dinge beginnen zu lassen.“
4. Unterstützung für schwierige Gespräche bereithalten
Was, wenn die Verhandlungsmacht gering ist oder sich aus anderen Gründen ein schwieriges Gespräch ankündigt? Martina Ernst rät: „Sich im Vorfeld Alternativen überlegen und gegebenenfalls die eigenen Vorgesetzten und/oder People & Culture Verantwortlichen mit ins Boot holen. Wenn man als Führungskraft wenig oder kaum Verhandlungsmacht hat, können schwierige Gehaltsgespräche ohne Unterstützung der Organisation kaum erfolgreich ablaufen.“
Wer führt die Gehaltsgespräche am besten?
„Der*die direkte Vorgesetzte (manchmal mehr als eine Person) sollte immer beim Gespräch dabei sein– und wenn die eigene Verhandlungsmacht nicht ausreicht, ist es durchaus sinnvoll, ein erstes Sondierungsgespräch alleine zu führen und sich vorab mit den wirklichen Entscheidungsträger*innen abzusprechen, die man erneut nach dem Gespräch einbeziehen sollte. Genauso wichtig ist es, die eigenen Argumente zu Gunsten der Mitarbeitenden nicht zu unterschätzen, die letztlich dazu führen, ob die Vorgesetzten sich gehaltlich ‚bewegen‘. Denn wer kennt den Beitrag der Mitarbeitenden besser als man selbst?“
Welche (objektiven) Kriterien lassen sich für die Gehaltserhöhung festlegen?
Martina Ernst nennt fünf Kriterien für eine Gehaltserhöhung. „Eine Gehaltserhöhung lässt sich immer dann rechtfertigen, wenn
- die Mitarbeitenden eine höhere Verantwortung bzw. eine Rolle mit erweiterter Kompetenz im Unternehmen wahrnehmen – sei es im ursprünglichen Job oder durch die Übernahme eines höher bewerteten Jobs.
- der Marktwert der Position, die man ausübt, bereits deutlich höher ist als das Gehalt, das man bezahlt. Bei engagierten Mitarbeitenden würde sich ansonsten das Risiko erhöhen, dass sie sich anderweitig bewerben.
- externe Bewerber*innen für die gleiche Position (bei vergleichbarem Kompetenzprofil) mehr Gehalt bekommen.
- eine einmalige außergewöhnliche Leistung vorliegt. Sie rechtfertigt durchaus einen erhöhten Bonus (falls das Unternehmen Boni zahlt) oder eine einmalige Prämie, ist aber normalerweise kein Grund für eine dauerhafte Gehaltserhöhung.
- Überstunden häufig angeordnet werden. Sie rechtfertigen eine Überstundenpauschale, die monatlich fix gezahlt wird für eine im Vorhinein definierte Anzahl an monatlich zu leistenden Überstunden.
Nicht vergessen werden sollte auf kollektivvertragliche Anpassungen, denn sie erhöhen das Gehalt ebenfalls – das wird oft außer Acht gelassen.“
Welche Alternativen gibt es zur sofortigen Gehaltserhöhung?
Um die Mitarbeiterbindung und -motivation zu stärken, sollte der Wunsch nach einer Gehaltserhöhung auf jeden Fall ernst genommen werden – Martina Ernst stellt eine Reihe von Alternativen vor: „Die Alternativen hängen sehr vom jeweiligen Unternehmen ab – und genauso von den Wünschen und Bedürfnissen der einzelnen Mitarbeitenden. Möglich sind etwa:
- Spezielle Trainings/ Weiterbildungen, die nicht direkt mit dem Arbeitsinhalt in Zusammenhang stehen
- Bezahlte ‚Lerntage‘, wenn Mitarbeitende außerhalb des Unternehmens eine Weiterbildung besuchen
- Coaching/ Mentoring
- mehr Sichtbarkeit im Unternehmen
- eine höhere Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit und/oder Arbeitsort (etwa durch Remote Work), wo immer technisch möglich
- die Möglichkeit, intern in einen anderen Bereich zu wechseln und dadurch zu lernen und beruflich zu wachsen
- Zusätzliche bezahlte Urlaubstage für das jeweilige Jahr
- Die Möglichkeit eines Sabbaticals
- Die Mitarbeit in einem spannenden Projekt mit hoher Sichtbarkeit – bei gleichzeitiger Entlastung im derzeitigen Job
- Das ‚Üben‘ als junge Führungskraft durch Übernahme der Verantwortung für z.B. ein Projekt, Praktikantinnen, Trainertätigkeit, Mentoren-Tätigkeit für Juniors etc.
- Eventuell Zusatz-Benefits wie Klimaticket, Fitness-Center etc.“
Wie schaut die Gehaltsverhandlung in Unternehmen aus, die bereits transparente Gehaltsstrukturen leben?
„Beide Seiten kennen
- die Gehaltsprozesse im Unternehmen,
- die Gehaltsbestandteile,
- die persönliche gehaltliche Entwicklung und
- die Kriterien für die Einordung des Gehalts in die im Unternehmen etablierte Gehaltsbandbreite für den jeweilige Job.
Es geht im Gespräch darum, festzustellen, ob
- der*die Mitarbeitende bereit ist für die nächsthöhere Verantwortung bzw. für den nächsten Schritt zu beruflichem Wachstum.
- er*sie inzwischen eine größere Verantwortung im Job ausübt als ursprünglich vereinbart.
- der Marktwert des Jobs sich mittlerweile deutlich erhöht hat.
- die außergewöhnliche Leistung eine spezielle Prämie rechtfertigt.
- der Wertbeitrag der*des Mitarbeitenden im Team und im Vergleich zum Team besonders erwähnenswert ist.“
Entgelttransparenzrichtlinie & Gehaltsverhandlung: Wie wird sich die Entgelttransparenzlinie auf Gehaltsverhandlungen auswirken?
„Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie, die bis Mitte 2026 in nationales Recht gegossen werden muss, verlangt
- die verpflichtende Auskunft über die durchschnittlichen Gehälter bei gleichwertiger Tätigkeit, was Mitarbeitenden sehr helfen wird, um sich gehaltlich zu positionieren.
- die transparente Nennung der Gehaltsbandbreite bzw. des Gehalts, das für die eigene Position vorgesehen ist: das ermöglicht eine gute Argumentation im Vorfeld der Gehaltsverhandlung, warum das eigene Gehalt deutlich über dem Median liegen sein sollte.
- objektive und geschlechtsneutrale Kriterien für die Gehaltsfestlegung.
- nachvollziehbare, objektive und geschlechtsneutrale Kriterien bei der Wahl eines*einer Kandidaten*in im Falle einer Beförderung. Die letzten beide Punkte tragen wesentlich dazu bei, dass man mit den Vorgesetzten über die eigene Qualifikation in Bezug auf diese Kriterien sprechen kann.
Die Richtlinie versachlicht die Diskussion über das ‚Tabuthema Gehalt‘, und macht es beiden Seiten leichter, nachzuvollziehen, dass es nicht um die Bewertung einer Person geht, sondern um den Wert der Position, den man ausübt.“
Fazit: 5 Tipps für Arbeitgeber
- Die eigenen Grenzen anerkennen: „Wissen, wo als Führungskraft die eigenen Grenzen sind, ist hilfreich. Für welche Punkte oder Entscheidungen müssen Sie vorab Informationen oder Freigaben einholen? Wie weit geht Ihre Verhandlungsmacht? Machen Sie sich das bewusst.“
- Alle Angebote des eigenen Unternehmens im Überblick behalten: „Welche Erhöhungen, Boni und Sonderzahlungen hat der*die Mitarbeiter*in in den letzten drei bis fünf Jahren erhalten? Welche Schulungen, Trainings und Benefits wurden ihm*ihr angeboten? Je genauer Sie Bescheid wissen, desto mehr Interesse zeigen Sie auch an der persönlichen Situation und Weiterentwicklung des*der Mitarbeiters*in.“
- Unterstützung durch KI hinzuholen: „Manche HR-Software-Systeme bieten sogar KI-basierte Tipps für beide Seiten, wie das Gespräch idealerweise ablaufen sollte.“
- Fairness und Gleichwertigkeit ins Zentrum stellen: „Als Arbeitgeber sind wir nicht die ‚Gegner‘ der Mitarbeitenden, die ausschließlich die Personalkosten um jeden Preis optimieren muss, sondern wir wollen ein Klima der Klarheit und Nachvollziehbarkeit schaffen, in dem sich Mitarbeitende fair und gleichwertig behandelt fühlen.“
- Fairness führt zu erhöhter Produktivität: „Und was hat das Unternehmen davon: Das Gefühl von Fairness steigert das Engagement der Einzelnen, was wiederum laut Gallup zu erhöhter Produktivität führt – ein klares Win-Win für alle.“