Gehaltstransparenz: so schaffen Sie faire Gehaltsstrukturen
Wie ist es um die Gehaltstransparenz in Österreich bestellt? Gibt es bereits Unternehmen, die transparente Gehaltsstrukturen leben? Und welche Strukturen müssen Unternehmen schaffen, um Gehaltstransparenz zu ermöglichen? All diese Fragen haben wir Martina Ernst gestellt, CEO von FairEqualPay:
- Versuchen wir eine Definition: Gehaltstransparenz, was genau bedeutet das?
- Prozesstransparenz
- Datentransparenz
- Martina Ernst, Ihre Einschätzung: Wie viel Gehaltstransparenz gibt es bereits jetzt in Österreichs Unternehmen?
- Welche Vorteile bringt Gehaltstransparenz?
- Wie sieht eine Gehaltsverhandlung bei transparenten Gehältern aus?
- Ganz praktisch gefragt: Bringt es erstmals nicht große Unzufriedenheit bei den Mitarbeiter*innen, wenn Gehälter offen gelegt werden?
- Eine offene Kultur des Miteinanders
- Klarheit der Prozesse
- Klarheit der Kommunikation und Einbindung aller Stakeholder
- Führen transparente Gehälter auch zu höheren Personalkosten?
- Wie schafft man es, eine transparente Gehaltsstruktur im Unternehmen zu etablieren?
- Prozess zur Einführung von Gehaltstransparenz
- Kommunikation bei Einführung von Gehaltstransparenz
- Expertentipps für mehr Lohntransparenz
Versuchen wir eine Definition: Gehaltstransparenz, was genau bedeutet das?
Gehaltstransparenz bedeutet im Allgemeinen die Offenlegung von Informationen über Gehälter innerhalb eines Unternehmens. Landläufig glaubt man, bei Gehaltstransparenz muss jede*r die Gehälter von allen Kolleg*innen kennen. Relevant ist allerdings nur das Durchschnittsgehalt derer, die die gleiche oder eine gleichwertige Funktion ausüben.
Wichtig ist zu unterscheiden zwischen Prozesstransparenz und Datentransparenz:
Prozesstransparenz
Bei der Prozesstransparenz sind die Gehaltsprozesse und Strukturen für alle Mitarbeiter*innen transparent und nachvollziehbar. Alle Beschäftigten kennen und verstehen die Gehaltsprozesse: wann sie stattfinden und wer für welchen Teil des Prozesses verantwortlich ist. Darüber hinaus wissen und verstehen alle (Führungskräfte und Mitarbeiter*innen) im Unternehmen, welche Kriterien bei der Gehaltsfestlegung bzw. Gehaltserhöhung angewandt werden.
Datentransparenz
Bei der Datentransparenz haben die Mitarbeiter*innen jederzeit Zugang zu ihren Gehaltsdaten, ihrer Gehaltsentwicklung und der Lage im Gehaltsband für ihren Job. Sie wissen, wie das Durchschnittsgehalt gleicher und gleichwertiger Funktionen im Unternehmen ist und sie kennen die Kriterien für ihre gehaltliche Einstufung.
Im Zusammenhang mit Gehaltstransparenz ist auch die transparente Auskunft wichtig zu erwähnen. Denn Unternehmen ab 150 Beschäftigten müssen bereits seit 2011 intern einen Einkommensbericht veröffentlichen über die aggregierten Gehaltsdaten vergleichbarer Funktionen.
Mit der neuen EU-Direktive zu Lohntransparenz, die bis Juni 2026 in nationales Recht gegossen wird, fällt nicht nur die Verschwiegenheitspflicht für die Arbeitnehmer*innen, es besteht auch für Unternehmen die Notwendigkeit, jederzeit gegenüber ihren Mitarbeiter*innen auskunftsfähig zu sein, nach welchen Kriterien das Gehalt zusammengesetzt ist und wie hoch das Durchschnittsgehalt vergleichbarer Funktionen ist.
Martina Ernst, Ihre Einschätzung: Wie viel Gehaltstransparenz gibt es bereits jetzt in Österreichs Unternehmen?
In der Praxis zeichnen sich folgende Tendenzen ab:
- Es gibt immer mehr Start-Ups und kleine junge Unternehmen, die komplette Gehaltstransparenz leben und gemeinsam Gehaltsstrukturen festlegen.
- Große internationale Konzerne gehen immer mehr dazu über, dass nicht nur die Führungskräfte, sondern auch alle Beschäftigten ihre persönliche Lage im Gehaltsband für den Job, den sie ausüben, kennen.
- Unternehmen mit über 150 Beschäftigten sind in Österreich zwar seit 2011 verpflichtet, einen Einkommensbericht zu erstellen, dieser ist allerdings meist nur dann vorhanden, wenn es Arbeitnehmer-Vertreter*innen im Unternehmen gibt.
Generell fehlen in sehr vielen Unternehmen noch nachvollziehbare und transparente Gehaltsstrukturen. Hinzu kommt, dass es auch an der Offenheit fehlt, sachlich und emotionslos über das heikle Thema Gehalt und Performance zu sprechen. Oftmals ist das mit der großen Sorge verbunden, Offenheit würde zu Kostensteigerungen führen. Dies ist sicherlich auch nicht von der Hand zu weisen, jedoch nur dann, wenn die Offenheit nicht einhergeht mit einer entsprechenden Klarheit über die Kriterien für die Job-Architektur und den damit verbundenen Gehaltsbändern und einer guten Führungs-, Performance- und Feedback-Kultur.
Welche Vorteile bringt Gehaltstransparenz?
Gehaltstransparenz im Sinne der bereits erwähnten Prozess- und Datentransparenz bringt eine neue Sprache der Klarheit und Nachvollziehbarkeit. Sie hilft dabei, Mitarbeitergespräche zu versachlichen: Es geht nicht um den Selbstwert der Person, besprochen wird lediglich der Marktwert des Jobs und der für das Unternehmen relevante Mehrwert, den eine Person in der jeweiligen Position bringt.
Zudem erhöhen transparente Prozesse im Unternehmen das Vertrauen ins Unternehmen und das Gefühl von Fairness. Je fairer sich Mitarbeitende behandelt fühlen, desto engagierter sind sie. Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Gallup zeigt seit vielen Jahren in seinen Studien, dass erhöhtes Engagement und eine höhere Mitarbeitermotivaion zu höherer Retention (und damit auch Einsparungen für die hohen Kosten der Nachbesetzungen), niedrigeren Fehlzeiten und höherer Produktivität führt – also ein klares WIN-WIN für alle.
Achtung: Gehaltstransparenz führt nur dann zu einer positiven Verstärkung der Unternehmenskultur, wenn die Prozess-Kriterien für Stellenbesetzung, Beförderung, Nachfolge und die entsprechende Gehaltsfestlegung transparent, klar und nachvollziehbar sind und wenn es einen gut strukturierten Dialog zwischen People & Culture Verantwortlichen, Führungskräften und Mitarbeiter*innen gibt. Mangelnde Kommunikationsstrukturen und Verantwortlichkeiten können schnell zu einem Bumerang werden.
Wie sieht eine Gehaltsverhandlung bei transparenten Gehältern aus?
Stellen wir uns Folgendes vor: Den Beschäftigten sowie den Führungskräften liegen die gleichen Informationen vor zu Gehaltsentwicklung, Lage im Gehaltsband mit entsprechenden objektiven geschlechtsneutralen Kriterien und Vergleich mit dem Durchschnittsgehalt gleicher oder gleichwertiger Funktionen.
Wenn diese Fakten auf dem Tisch liegen, wird es für beide Seiten leichter, sachlich zu begründen, warum jemand mehr Gehalt verdienen sollte – oder eben nicht. Dadurch sind die Beschäftigten nicht mehr abhängig vom Wohlwollen eines Sponsors, sondern es entscheiden sachliche und geschlechtsneutrale Kriterien, die für alle Seiten nachvollziehbar sind. Dies führt auch dazu, das Mitarbeitende auf Augenhöhe mit ihren Vorgesetzten über das Gehaltsthema reden können. Beide Seiten können sich gut auf Gehaltsverhandlungen vorbereiten, denn die Kriterien für Gehaltserhöhungen bzw. Beförderungen sind transparent. Es steht nicht mehr im Vordergrund, was man glaubt, wert zu sein, sondern der am Markt intern und extern zu erzielende Wert des Jobs und der Mehrwert, den dieser Job fürs Unternehmen bringt stehen im Fokus. Diese Klarheit beugt gegen Unsicherheit und negative Emotionen vor und reduziert das Konfliktpotential. Die Transparenz schafft Vertrauen, erzeugt ein Gefühl der fairen Behandlung und steigert das Engagement sowie die Leistungsbereitschaft der Beschäftigten – denn in einer transparenten Kultur auf Augenhöhe fühlen sich die Mitarbeiter*innen eher ermächtigt.
Ganz praktisch gefragt: Bringt es erstmals nicht große Unzufriedenheit bei den Mitarbeiter*innen, wenn Gehälter offen gelegt werden?
Damit Gehaltstransparenz positive Auswirkungen im Unternehmen hat, braucht es drei zentrale Elemente:
Eine offene Kultur des Miteinanders
In dieser offenen Kultur des Miteinanders muss sich die Wertehaltung des Unternehmens in der Vergütung widerspiegeln. Diversität, Gleichwertigkeit und Inklusion müssen einen deutlichen Stellenwert haben (Teilzeitstellen werden beispielsweise gleich bewertet wie Vollzeitstellen, es gibt Shared-Leadership-Positionen im Unternehmen etc.). Ebenso ist es wichtig, dass Führungskräfte und Arbeitnehmer*innen auf Augenhöhe miteinander kommunizieren und dass Feedback kontinuierlich stattfindet – sowohl top down als auch bottom up. Performance darf nicht als Druck empfunden werden, sondern als Beitrag, den jede*r einzeln und alle zusammen leisten, um den Unternehmens-Purpose und die damit verbundenen Ziele zu realisieren. Das wiederum setzt voraus, dass Performance-Ziele weitgehend gemeinsam mit den Vorgesetzten festgelegt werden, um ein Klima der Angst und des demotivierenden Stresses zu vermeiden. Die Benefits sollten zudem an die unterschiedlichen Zielgruppenbedürfnisse im Unternehmen angepasst sein und flexible Arbeitsbedingungen (zum Beispiel durch flexible Arbeitszeiten, Workation, hybrides Arbeiten, Remote Work …) sollten Teil der Gesamtvergütung sein, um unterschiedlichen Zielgruppen objektive und gleichwertige Chancen auf Beförderung bieten zu können.
Klarheit der Prozesse
Es braucht eine Job-Architektur, die die Wertigkeit der Positionen im Unternehmen zueinander regelt. Wichtig ist es auch, diese Architektur jährlich zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Darüber hinaus müssen regelmäßig interne und externe Gehaltsbenchmarks durchgeführt werden. Es braucht zudem eine Klarheit über die Job- und Gehaltskriterien, die genau festlegen, welche Kompetenzen, Skills und Verantwortungen für eine Position erforderlich sind und welche Kriterien die jeweilige Lage im Gehaltsband für die entsprechende Position bestimmen. Was auch vorliegen muss, sind die Performance-Ziele mit nachvollziehbaren Kriterien für die Leistungsbeurteilung für jedes Jobprofil. Um Neid und Frustration zu vermeiden, sollte es zu proaktiven Anpassungen ungerechtfertigter Gehaltsunterschiede durch People & Culture Verantwortliche gemeinsam mit den Führungskräften kommen.
Klarheit der Kommunikation und Einbindung aller Stakeholder
Um diese Klarheit in der Kommunikation gewährleisten zu können, müssen die Vergütungsrichtlinien für alle verständlich formuliert sein. Die Führungskräfte müssen zudem darin geschult sein, Gehaltsgespräche vorurteilsfrei, sachlich und wertschätzend zu führen. Und für die Mitarbeiter*innen ist es wichtig, dass sie jederzeit Zugang zu den für sie relevanten Gehaltsinformationen haben.
Führen transparente Gehälter auch zu höheren Personalkosten?
Lohntransparenz kann kurzfristig zu erhöhten Personalkosten führen, jedoch nur, wenn einer der folgenden drei Gründe vorliegt:
- Notwendige Gehaltsanpassungen: Das Unternehmen muss Gehaltsanpassungen vornehmen, um bestehende Mitrarbeitende zu halten, wenn der Marktwert der Position bereits höher ist als das ausbezahlte Gehalt – vor allem dann, wenn neue Kandidat*innen bereits ein höheres Gehalt für eine gleiche oder gleichwertige Position erhalten haben oder angeboten bekommen.
- Transparenz in der Jobanzeige: Wenn Unternehmen nicht mehr nur das kollektivvertraglich festgelegte Minimum in der Stellenanzeige angeben, sondern realistische Bandbreiten, könnte das kurzfristig zu einem Überbieten der Gehälter durch Mitbewerbende kommen.
- Lohntransparenz ohne Struktur: Eine unstrukturierte Einführung von Lohntransparenz quasi “über Nacht“, in der die bereits erwähnten strukturellen, prozessualen und kommunikativen Voraussetzungen fehlen, kann zu Irritationen, Neid, Frust und Konflikten führen – und im schlimmsten Fall zu erhöhten Personalkosten.
Wie schafft man es, eine transparente Gehaltsstruktur im Unternehmen zu etablieren?
Der typische Fahrplan hat zwei große Komponenten, die es umzusetzen gilt: das Etablieren von Prozessen und die entsprechende Kommunikation.
Prozess zur Einführung von Gehaltstransparenz
Folgende Schritte sind im Unternehmen zu etablieren:
- Definition einer Jobarchitektur, in der die Wertigkeit der einzelnen Jobs zueinander festgelegt wird
- Festlegen der nötigen Skills und Kompetenzen, Ausbildung, Berufserfahrung, Verantwortungen etc. für jede Position
- Nutzung externer Benchmarks, um die internen Gehaltsbenchmarks zu verifizieren und mit der Unternehmensstrategie abzugleichen und Festlegung der Ziele: Will das Unternehmen bewusst Bestzahler am Markt sein oder sich eher am Marktmedian ausrichten? Gibt es Positionen, bei denen Unternehmen bewusst die branchenübliche Zahlung überbietet?
- Analyse der bestehenden Gehälter und gegebenenfalls Gehaltsanpassungen, wenn Mitarbeitende nicht korrekt eingestuft sind
- Erhöhung der Chancengleichheit: Das Unternehmen analysiert nicht nur die Lage im Gehaltsband, sondern untersucht auch die Diversität pro Job-Level. Wenn sich zeigt, dass bestimmte Zielgruppen (zum Beispiel Mütter, ältere Arbeitnehmer*innen, Menschen mit Migrationshintergrund, etc.) in bestimmten Jobs oder Job-Levels nicht vertreten sind, sollte das Unternehmen strukturelle Maßnahmen ergreifen, um die Chancengleichheit zu erhöhen.
- Performance-Management leben mit SMARTEN Zielen und regelmäßigen Feedback-Schleifen und die Mitarbeiter*innen definieren Ziele auf Augenhöhe mit ihren Vorgesetzten
- Definition eines Fahrplans für eine jährliche Überprüfung
Kommunikation bei Einführung von Gehaltstransparenz
Bei der Kommunikation kommt es auf folgende Aspekte an:
- Einbindung von Mitarbeiter*innen und Führungskräften von Anfang an: Einbinden in den Prozess, Einholen von Feedback, eventuell Einrichten von Sounding Boards
- Formulierung von Vergütungsrichtlinien, die für alle verständlich sind und im Einklang mit den Unternehmenswerten stehen
- Inhaltliche Schulungen für Führungskräfte und Mitarbeitende, wie Gehalt am Markt festgelegt wird, welche Vergütungsstrategie das Unternehmen verfolgt, welche Prozesse intern gelten und wie Gehaltsverhandlungen ablaufen sollen
- Bias-Schulungen für alle und besonders für Führungskräfte, denn die eigene Brille ist ‚mächtig‘. Sachlichkeit entsteht einerseits durch nachvollziehbare Kriterien aber andererseits auch dadurch, dass man die Perspektive des jeweils anderen einnehmen kann
- Regelmäßige Meetings und Pulse Checks, um gegebenenfalls die Klarheit zu erhöhen bzw. die Prozesse, Kriterien und die Kommunikation zu verbessern
Expertentipps für mehr Lohntransparenz
- Bei der Einführung von mehr Lohntransparenz sollten die Werte Fairness, Gleichwertigkeit und Transparenz im Vordergrund stehen.
- Der Weg zu mehr Gehaltstransparenz sollte nachvollziehbar, miteinander, flexibel und sowohl teamorientiert als auch mit dem Fokus auf das Individuum gestaltet sein.
- Im Prozess nicht die zahlreichen Vorteile aus den Augen verlieren: Gehaltstransparenz schafft eine neue Sprache der Klarheit im Unternehmen. Diese neue Sprache schafft mittelfristig eine neue Kultur des positiven Miteinanders, des Vertrauens und der erlebten Fairness, wenn das Unternehmen bereit ist, die Kommunikation mit und unter den Stakeholdern zu steuern und die Prozesse jährlich zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Diese Kultur des Miteinanders erhöht das Engagement der Mitarbeiter*innen und damit die Produktivität des Unternehmens.