Der Standard – 22.01.2022
Benefits – was wirklich zählt
Österreich ist zum Arbeitnehmerinnen-Markt geworden, das heißt es gibt mehr offene Stellen als Bewerberinnen, was natürlich den Druck auf die Unternehmen erhöht, sich als möglichst attraktive Arbeitgeberin zu präsentieren.
Daher verwundert es nicht, dass viele Unternehmen nicht nur ihre Employer Branding, Recruiting- und Onboarding-Strategien überarbeiten, sondern auch die Anziehungskraft und Markttauglichkeit ihrer Vergütungssysteme und Zusatzleistungen (‚neudeutsch‘ meist als Compensation und Benefits bezeichnet) ins Visier nehmen.
Bevor man allerdings in der Hoffnung auf interessierte Bewerberinnen aktionistisch das Füllhorn ausschüttet und weitere Vergünstigungen anbietet, sollte man sich ein paar grundlegende Fragen stellen:
- Welche Benefits gibt es?
- Welche Benefits sind stimmig und im Einklang mit dem Unternehmens-Purpose und den Werten?
- Welche Wirkung will die Firma mit den Zusatzleistungen erzielen?
- Was genau wollen die Mitarbeiterinnen und Kandidatinnen? Wie steht es um die zu erwartende Kosten-Nutzen-Relation?
Welche Benefits gibt es?
Es gibt monetäre Benefits (Öffi-Tickets, betriebliche Altersvorsorge, Mitarbeiterbeteiligungen, Dienstjubiläums-Prämie uvm.) und nicht-monetäre wie Flexibilität in Ort und Zeit, Zeit für Weiterbildung, Benefits die in direktem Zusammenhang mit dem Job stehen (Smartphone, Laptop, Kantine, Betriebsausflug) und andere, die die Mitarbeiterinnen privat nützen können wie Zuschuss zum privaten Kindergarten, privaten Gesundheitscheck, Beitrag zum Fitnesscenter, zinsfreie Kredite etc.
Viele der Benefits sind steuerbegünstigt – eine vollständige Übersicht bietet die Wirtschaftskammer auf ihrer Website -, und sind daher für die Mitarbeiterinnen sehr attraktiv, denn sie erhöhen letztlich das verfügbare Einkommen. Wer zum Beispiel einen Jahreszuschuss von bis zu 1000 Euro pro Kind bis zum 10. Lebensjahr für Kinderbetreuung in privaten oder öffentlichen Einrichtungen sowie bei Tagesmüttern bekommt, muss diesen nicht versteuern: als Arbeitnehmerin müsste man bei einem Steuersatz von 30% ca. EUR 1.430 mehr verdienen, um die gleiche Leistung zu finanzieren.
Karriere.at hat die Jobanzeigen im ersten Halbjahr 2021 nach Zusatzleistungen ausgewertet und die meistgenannten Benefits aufgelistet: Flexible Arbeitszeiten und Aus-und Weiterbildung nennen rund 10% aller Unternehmen der 5 Top-Branchen Handel, Industrie, IT, Bau und Finanz. Auch gute Verkehrsanbindung rangiert unter den häufigst gebotenen Benefits.
Die Liste der möglichen Zusatzleistungen ist sehr lang, nur sollte man sich unbedingt folgende Frage stellen:
Welche Benefits sind stimmig und im Einklang mit dem Unternehmens-Purpose, der Vision und den Unternehmenswerten?
Zusatzleistungen sind Teil der Gehaltspolitik, die das Warum (den Purpose) der Organisation genauso transportieren muss wie alle anderen Firmen-Strukturen und Prozesse. Wenn sich ein Unternehmen wie zum Beispiel IKEA zur Aufgabe macht, „create a better everyday life for the many people“ und diese Daseinsberechtigung in seinen Werten: ‚togetherness, caring for people and planet, cost-consciousness, simplicity… ‘ zum Ausdruck bringen will, dann wäre es mehr als verwunderlich, wenn so eine Organisation ihre Zusatzleistungen stark nach Hierarchie differenziert und ein Geheimnis daraus macht, wem welche Benefits zustehen.
Oder: Wer die Welt nachhaltiger machen möchte, sollte sich genau überlegen, welche Firmenauto-Kategorie die Verkaufsmannschaft und die Geschäftsführung fahren.
Wenn das Warum eines Unternehmens und die Wertehaltung klar sind, dann ist es wichtig oder zumindest günstig, sich zu überlegen, welchen Impact man mit den Zusatzleistungen erreichen will.
Welche Wirkung kann das Unternehmen mit seinen Benefits erzielen?
Generell erhoffen sich Arbeitgeberinnen, dass Benefits ihre Attraktivität steigern und die Bindung der Mitarbeiterinnen ans Unternehmen erhöhen.
Benefits sollen Wertschätzung für die Belegschaft ausdrücken und ihr Engagement aufrechterhalten.
Im Gegensatz zu Anreizsystemen wie Boni, Prämien und Incentives ist die Gewährung der Zusatzleistungen nicht an bestimmte Vorgaben bzw. eine Zielerreichung gekoppelt:
Die Benefits sind selten abhängig von der Performance eines einzelnen Mitarbeiters bzw. eines Teams, sondern gelten leistungsunabhängig für alle Anspruchsberechtigten im Unternehmen.
Bei der Wahl der Anspruchsberechtigten beginnt die Frage nach der Wirkung: bekommen alle im Unternehmen jeden der angebotenen Benefits oder wird das Paket an Zusatzleistungen differenziert nach Zielgruppen im Unternehmen?
So waren Größe, Ausstattung und Stockwerk des Büros viele Jahre begehrte Statussymbole und wurden hierarchie-abhängig gewährt. Die Unternehmen erhofften sich – ähnlich wie bei Boni -, durch diese Benefits einen Leistungsanreiz setzen zu können.
Wer heute als Arbeitgeberin eher die Teamleistung in den Vordergrund stellen als den Konkurrenzkampf fördern möchte, der wird die Zuerkennung von Benefits weniger differenzieren.
Wer sich als Arbeitgeberin positioniert, die Familienleben als Teil des Berufsalltags versteht, die wird sich eher Gedanken machen über Jobsharing, Elternkarenz, Kindergarten-Zuschüsse etc.
Organisationen im Wandel – und wer ist das nicht? – überlegen, welche Aus- und Weiterbildungsangebote für Ihre Mannschafft attraktiv sein können, um Lust aufs Erwerben von zukunftsrelevanten Kompetenzen zu machen.
Eines sollte klar sein: selbst wenn man das perfekte Benefit-Paket designt, das wunderbar in Einklang steht zu Purpose, Vision, und Werten, wird die gewünschte Wirkung zunichte gemacht, wenn die gelebte Unternehmenskultur nicht zu der eigentlichen Firmen-Philosophie passt – oder die Benefits nicht dem entsprechen, was sich die Mitarbeiterinnen wünschen.
Was genau wollen die Mitarbeiterinnen und Kandidatinnen? Wie steht es um die zu erwartende Kosten-Nutzen-Relation?
Karriere.at nennt in der oben zitierten Studie die 5 häufigsten Gründe für Jobwechsel: zwar wollen 48% ein höheres Gehalt, aber dann wünschen sich bereits 24% mehr Anerkennung, 23% eine bessere Work-Life-Balance, 21% interessantere Aufgaben und 20% einen Arbeitsplatz in der Nähe zum Wohnort – alles Indizien für die Relevanz von Benefits wie flexible Arbeitszeiten, Home-Office und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Reicht diese allgemeine Erkenntnis? Was hindert ein Unternehmen, seine Mitarbeiterinnen zu befragen, welche der fürs Unternehmen möglichen Benefits die Belegschaft will und wie wichtig ihr die jeweiligen Zusatzleistungen sind? Eine ernst geführte Diskussion um die Benefits ist deswegen so wichtig, weil sie hilft, die jeweilige Unternehmenskultur auch beim Thema Vergütung sichtbar zu machen.
Wer diese Erkenntnisse mit den Kosten für die abgefragten Benefits in Zusammenhang setzt, wird sich wundern, wie unterschiedlich die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen sind und was für sie wirklich zählt.
Und schnell kommt man zu der Erkenntnis, dass ein Cafeteria-System, wo sich Mitarbeiterinnen die für sie passenden Benefits aus dem gesamten Unternehmensangebot aussuchen können, motivierender ist als die ‚Beglückung‘ nach dem Gießkannenprinzip – und sicher nicht teurer.
Die Möglichkeit zur persönlichen Auswahl aus dem Unternehmens-Angebot schickt ein Signal an die Belegschaft, wie sehr die individuelle Zufriedenheit für das Unternehmen von Belang ist.
Eines ist klar, niemand arbeitet für ein Unternehmen nur wegen der dort angebotenen Benefits – aber sie stillschweigend zu gewähren und zu hoffen, das Angebot passe für die Mitarbeiterinnen, rechtfertigt die Kosten ebenso wenig.
Auch hier gilt, darüber reden, Transparenz schaffen und Benefits gegebenenfalls an die Wünsche der Kandidatinnen und Mitarbeiterinnen anpassen, denn – ähnlich wie bei Geburtstagsgeschenken – Zusatzleistungen, die man sich gewünscht hat, sind von viel höherem Wert als solche, die man gar nicht wollte.