der Standard – 29.09.2021
Fair & Equal Pay – oder doch lieber Purpose?
Studien zeigen, dass der Ruf nach fairem Gehalt immer lauter wird. Schon 2019 rangierte faires Gehalt bei einer Befragung der Jobplattform Karriere.at von österreichischen Studierenden ganz oben.
Letzten Oktober hat Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer den Fairness-Prozess in der Kulturbranche gestartet und die igkultur empfiehlt in diesem Zusammenhang ihr Fair Pay Gehaltsschema als Richtwert für eine faire Entlohnung der Kulturarbeit.
Sogar auf der Homepage des Bundeskanzleramts findet man eine Seite zu fairem Lohn für Frauen und Männer, ein Projekt aus den Jahren 2016 und 2017, das unter anderem auch zur Entwicklung eines Online-Gehaltsrechners führte.
Gleichzeitig werden auch die Forderungen nach Equal Pay nicht nur lauter, sondern haben bereits im März 2017 zur Einführung des Entgelttransparenz-Gesetzes in Deutschland geführt.
Island hat 2018 kurzerhand per Gesetz verboten, Frauen für gleiche Arbeit schlechter zu bezahlen. Der „Equal Pay Act“ verpflichtet Unternehmen zu belegen, dass sie ihre Beschäftigten gerecht bezahlen. Wer Frauen schlechter bezahlt, wird bestraft.
In Österreich gibt es seit März 2011 die gesetzliche Verpflichtung zur Angabe des kollektivvertraglichen Mindestentgelts und der Bereitschaft zur Überbezahlung in Stelleninseraten. Und ebenfalls seit 2014 besteht für Unternehmen mit mindestens 150 Beschäftigten die Verpflichtung zu einem anonymisierten Einkommensbericht Dieser Bericht muss das durchschnittliche Einkommen von allen Mitarbeitenden im Unternehmen in den jeweiligen Verwendungsgruppen und Verwendungsgruppenjahren darstellen. Festgestellte Einkommensunterschiede (der Gender Pay Gap muss darin übrigens nicht dezidiert ausgewiesen werden) bleiben allerdings oft ohne Konsequenz.
Die Bemühungen klingen theoretisch gut und trotzdem klafft die Einkommensschere der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste bei 19,9% zwischen Männern und Frauen weit auseinander.
Und damit liegt Österreich als eines der reichsten Länder der EU beschämenderweise weit über dem EU-27-weiten Durchschnitt von 14,1% und bildet mit Estland und Lettland das Schlusslicht.
Da stellt sich automatisch die Frage: lassen wir die Dinge bewusst so wie sie sind, weil sie in Wirklichkeit gar keine Relevanz haben und Mitarbeiterinnen eigentlich etwas ganz anderes wollen als fair & equal pay?
JEIN: Gleiche Bezahlung für vergleichbare Arbeit will jeder und der Druck auf Politik, Organisationen und Unternehmen steigt diesbezüglich massiv an.
Am 15.09. verkündete die Presse, der US-Fußballverband biete Männer- und Frauenteam gleiches Gehalt an, eine Revolution in einer Branche, wo laut einer neuesten Studie von Professor Jonas Puck, WU und WU Executive Academy, männliche Fußballspieler 50- bis 200-mal so viel verdienen wie die Fußballspielerinnen derselben Liga – je höher die Liga, desto größer wird der Gender Pay Gap.
Zusammengefasst: ‚equal pay‘ sollte umgesetzt werden, aber ist damit auch die Forderung nach Fairness gedeckt?
Leider nur zum Teil, denn Fairness ist ein höchst subjektiver Begriff: selbst wenn zwei Mitarbeiterinnen das gleiche Gehalt für vergleichbare Tätigkeiten beziehen, empfindet die eine es vielleicht als unfair, weil sie ihrer Meinung nach für das gleiche Geld deutlich mehr leistet und die andere empfindet vielleicht generell die Vergütungsstruktur des Unternehmens als unfair, weil zum Beispiel die Einstufung in den KV und etwaige Überzahlungen für sie nicht immer transparent und nachvollziehbar sind.
Welche Relevanz hat dann dieses schwer greifbare Gefühl fairer Entlohnung für Organisationen und Unternehmen? Aufschluss geben die neuesten Studien von Facebook und McKinsey
Facebook macht 2021 deutlich, dass die Mitarbeiterinnen „Career, Community and Cause“ wollen, also berufliches Wachstum, Wir-Gefühl und Sinn/Purpose. Und eine McKinsey Studie dieses Jahres zum Thema Inklusion bestätigt die Facebook-Ergebnisse und schreibt, Mitarbeiterinnen wollten „Authenticity, Sense of Belonging, Meaningful Work“, also so (divers) sein dürfen, wie sie sind, das Gefühl des Dazugehörens und bedeutsame Arbeit/ Purpose.
Von Gehalt steht da eigentlich nichts, aber McKinsey zeigt auf, was diese Mitarbeiterinnen-Wünsche für die Arbeitgeberinnen bedeuten: „Acceptance, Camaraderie, Fairness“, d.h. Unternehmen sollen Mitarbeiterinnen in ihrer ganzen Diversität einbinden, ihrer Belegschaft eine Gemeinschaft/ Wir-Denken/ Zusammengehörigkeitsgefühl bieten und eine Kultur der Fairness! vermitteln.
Wer glaubt, Fairness, Diversität und Inklusion sind nur Orchideen- bzw. Randthemen, wird spätestens durch diese Studien eines Besseren belehrt. Sie untermauern den Trend nach Sinn, den eine Xing-Studie bereits 2018 erkannt hat, bestätigen laut Umfrage von Karriere.at 2019 den Wunsch nach fairem Gehalt & Wertschätzung und nach mehr Transparenz und guter Zusammenarbeit laut Xing-Umfrage 21.
Es wird deutlich, dass das Gefühl der Fairness viel breiter gefasst ist als die bloße Forderung nach mehr Gehaltstransparenz und gleicher Bezahlung für vergleichbare Jobs. Es geht bei „fair & equal pay“ letztlich um die Unternehmenskultur. Wer nur gut zahlt, wird nur dadurch auf Dauer die richtigen Mitarbeiterinnen nicht halten können.
Bis zu diesem Punkt könnte man sich eigentlich als Arbeitgeberin noch zurücklehnen und sagen, wer nicht bleiben will, kann ja gehen, ABER der leidige viel zitierte War for Talents beginnt gerade erst so richtig, weil die Baby Boomerinnen in Pension gehen und die zahlenmäßig schwächeren Jahrgänge der Generation X, Y (Millenials) und Z die Lücke nur bedingt werden füllen können.
Das Blatt hat sich gewendet und längst sprechen wir vom Arbeitnehmerinnenmarkt. Manche der Stellen kann man vielleicht streichen, manche durch Gig-Worker ersetzen oder sogar durch Mitarbeiterinnen, die irgendwo in der Welt sitzen und von dort aus für das hiesige Unternehmen arbeiten. Wer allerdings keine beliebige Ware oder Dienstleistung anbietet, braucht Mitarbeiterinnen, die sich mit der Firma identifizieren, die Innovation ins Unternehmen bringen und loyal die Firmengeheimnisse waren, und die das Unternehmen entsprechend nach außen vertreten. Schon sind wir wieder bei dem geforderten Wir-Gefühl, und der gewünschten Fairness – nur dieses Mal kommt es dem Unternehmen selbst zugute!
Martina Ernst hat nach ihrer Tätigkeit als Personalchefin der Erste Bank die Gehalts-und Karriere-Beratungsfirmen www.salarynegotiations.at und www.colourfulcareer.com gegründet, ist Career Partnerin der WU Executive Academy und Präsidentin des WU EA Female Leaders Netzwerks mit 1500 Alumnae.